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Türkiye, kolossale Säuberung: Jetzt ist Information und Aufklärung angesagt

Die Faust von Erdogan Sultan hätte inzwischen 49.000 erreicht. Die letzte „Etappe“ trifft 1.577 Professoren, Rektoren und Universitätsrektoren – Über 15.200 Mitarbeiter des Bildungsministeriums suspendiert – Die Sendelizenz von 24 Radio- oder Fernsehsendern entzogen – Alarm aus den USA, den Vereinten Nationen und Amnesty International – Wikileaks veröffentlicht Tausende von E-Mails der Regierungspartei

Türkiye, kolossale Säuberung: Jetzt ist Information und Aufklärung angesagt

Knapp eine Woche nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei nimmt die von Präsident Recep Tayyip Erdogan angeordnete Repression für die internationale Gemeinschaft besorgniserregende Ausmaße an und nährt den Verdacht, dass bereits vor dem Putschversuch schwarze Listen von Behörden und Arbeitern zur Säuberung bereitstanden. Nach den harten Schlägen, die der Polizei, der Justiz und der Armee zugefügt wurden, trifft die Faust des Sultans die Welt der Bildung und Information. Insgesamt hätten die Säuberungen (einschließlich Entlassungen, Verhaftungen und Suspendierungen) 50 erreicht. Es herrscht offensichtlich ein Klima der Unterdrückung und eine der drohenden Bedrohungen betrifft Frauen, ihre Freiheit, sich mit unbedecktem Gesicht auf der Straße zu bewegen und westliche Kleidung zu tragen. Viele Berichte von Korrespondenten der Zeitungen (von Repubblica bis Corriere) beziehen sich auf ein wachsendes Klima der Einschüchterung. Wir werden bald sehen, ob es tatsächlich zur Anwendung des islamischen Rechts kommt oder nicht.  

BILDUNG UND INFORMATION

Der Hochschulrat (Yok), das für die Aufsicht über türkische Universitäten zuständige Verfassungsorgan, hat den Rücktritt aller Dekane, Präsidenten und Rektoren der Universitäten gefordert. Insgesamt sind 1.577 Personen beteiligt, davon 1.176 an öffentlichen Universitäten und der Rest in Universitätsstiftungen.

Darüber hinaus wurden mehr als 15.200 Mitarbeiter und Beamte des Ministeriums für öffentliche Bildung mit sofortiger Wirkung suspendiert, während das Bildungsministerium 21 Lehrern an Privatschulen die Lehrlizenz entzog.

Alle Lehrer stehen im Verdacht, Verbindungen zur Feto zu haben, der religiösen Bewegung unter der Führung des Predigers Fethullah Gülen, die von der türkischen Regierung als Terrororganisation eingestuft wird. Der in den USA im Exil lebende Gülen war in der Vergangenheit ein Verbündeter Erdogans, ist nun aber dessen größter Feind und beschuldigte den türkischen Präsidenten sofort, den (Schein-)Putsch selbst organisiert zu haben, nur um die anschließende Repression zu rechtfertigen.

Ankara wiederum wirft Gülen vor, der verborgene Drahtzieher des Putschversuchs zu sein. Die türkische Regierung hat bekannt gegeben, dass sie Washington das Dossier mit den Beweisen gegen Gülen geschickt hat, dessen Auslieferung sie fordert.

Zur Information: Der Oberste Rat für Radio und Fernsehen hat 24 Radio- oder Fernsehsendern, die als Gülen nahe stehen, die Sendelizenz entzogen. Auch gegen 370 Mitarbeiter und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens Trt wurde ermittelt.

MILITÄR, MINISTER UND IMAM

Mittlerweile ist die Zahl der wegen Komplizenschaft beim Putsch festgenommenen Personen auf 9.322 gestiegen. Neun Mitarbeiter des Innenministeriums sowie etwa dreitausend Richter und Staatsanwälte wurden von ihren Ämtern suspendiert. Stattdessen suspendierte der türkische Geheimdienst 100 Personen, wiederum wegen des Verdachts auf Verbindungen zur Gülen-Bewegung.

Auch ein zweiter Militärberater Erdogans wurde in Handschellen gefesselt: Es handelt sich um Oberstleutnant Erkan Kivrak, einen Experten für Luftfahrtfragen, der verdächtigt wird, an dem Putsch beteiligt gewesen zu sein. In der Hierarchie des Beraterstabs des Präsidenten nahm Kivrak hinsichtlich Rang und Prestige den zweiten Platz ein.

Darüber hinaus hat das türkische Präsidium für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) aufgrund des gleichen Verdachts 492 Mitarbeiter entlassen, darunter Imame und Religionslehrer. Auch islamische Beerdigungen für getötete Putschisten wurden verboten.

Als ob das alles noch nicht genug wäre, kündigte Erdogan nach der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates für morgen „eine wichtige Entscheidung“ an.

DIE INTERNATIONALE REAKTION

International häufen sich die Alarmreaktionen. Amnesty International spricht von „Menschenrechten in großer Gefahr“. Das Weiße Haus hingegen ließ bekannt geben, dass der Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, mit Erdogan telefoniert und ihn aufgefordert habe, demokratische Werte zu respektieren.

Die Vereinten Nationen hingegen haben deutlich gemacht, dass sie auch „die Wiedereinführung der Todesstrafe“ fürchten und verurteilen: „Es wäre ein Verstoß gegen die Verpflichtungen der Türkei im Rahmen der internationalen Menschenrechtsnormen, ein großer Schritt in die falsche Richtung“, sagte sie der Hohe Menschenrechtskommissar Zeid Ra'ad Al Hussein.

Aus Italien schließlich verurteilte die Sprecherin der Kammer, Laura Boldrini, entschieden: „Wenn Tausende von Menschen willkürlich verhaftet werden, ist das Repression und etwas Unerträgliches für ein Land, das erklärt, der Europäischen Union beitreten zu wollen.“ Was in der Türkei passiert, sollte uns beunruhigen und ist inakzeptabel.“

Als Reaktion auf die Säuberungen Wikileaks hat 294.548 E-Mails online gestellt der AKP, Erdogans Regierungspartei.

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