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Bundestagswahl: Das Bündnisrätsel macht die Märkte unruhig

Die Stabilität des Euro steht außer Frage und Merkels Sieg bei den nächsten Bundestagswahlen ist sicher, aber Regierungsbündnisse sind ein unbekannter Faktor: Wenn die Liberalen die Sozialdemokraten ersetzen, die restriktiven Auswirkungen auf Europa (einschließlich Italien) und auf die EZB würde nicht fehlen

Im Gegensatz zu den Wahlen in Frankreich, den Niederlanden und voraussichtlich Italien erscheinen die Wahlen in Deutschland, die am 24. September stattfinden, für den Euro und die EU berechenbarer und weniger heimtückisch. Das Ergebnis scheint fast offensichtlich: Angela Merkel hat beste Chancen, bestätigt zu werden. In Wirklichkeit ist völlig unklar, welche Koalition sie unterstützen wird und welche Folgen dies für die deutsche Finanzpolitik, das Verhältnis zu Europa und dessen Wirtschaftspolitik haben wird. 

Tatsächlich deuten Umfragen im Vergleich zu den Ergebnissen der letzten Wahl auf einen deutlichen Rechtsruck hin. Eine extreme Partei wie die AfD (Alternative für Deutschland) verzeichnet seit der letzten Wahl in den Umfragen ein Plus von fünf Prozentpunkten und wird voraussichtlich in den Bundestag einziehen können. Auch die Konservative Partei FDP legt im Vergleich zu 2013 um rund drei Prozentpunkte zu und kommt auf über 8 %. Dagegen scheinen die gemäßigten linken und mittleren Parteien (CDU, CSU, SPD und Grüne) an Boden verloren zu haben. 

Wir dürfen nicht vergessen, dass immer noch über 40 % der Wahlberechtigten zu den Unentschlossenen gehören. Auch die Veröffentlichung der verschiedenen Wahlprogramme scheint sich noch nicht auf die Umfragen ausgewirkt zu haben. Um die Ideen der Wähler zu verdeutlichen, hat die Regierung, wie bereits 2013 geschehen, eine interessante Website eingerichtet, die den Wählern zeigt, welche Partei Positionen und Ideen vorschlägt, die ihren am nächsten kommen („Wahl-O-Mat“). 2013 nutzten über 13 Millionen Wähler dieses Tool. 

Stand heute würde eine Mitte-Links-Koalition (CDU/CSU/Grüne) nur 47 % der Stimmen erhalten. Um eine Mehrheit zu erreichen, muss möglicherweise auch die FDP einbezogen werden, was die neue Exekutive stark nach rechts drängt. Es wäre eine artikulierte Mehrheit: Die Differenzen zwischen Grünen und FDP sind erheblich und die Verhandlungen zwischen den beiden wären komplex. Wenn dies jedoch die neue Konstellation wäre, müssten wir eine unnachgiebigere Haltung gegenüber der europäischen Wirtschaftspolitik erwarten. 

Eine Bestätigung der aktuellen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD unter Führung von Martin Schulz würde zu einer erprobten und günstigeren Konstellation für die EU führen. Anders als die jetzige Legislative würde die Regierung jedoch mit einer knapperen Mehrheit auskommen. Die SPD befinde sich in einer besonders heiklen Lage, da sie mit einem erneuten Vorschlag als Minderheitspartner in einer Regierungskoalition Gefahr laufe, an Unterstützung zu verlieren. Das Gegenstück für die SPD könnte die Ernennung des Finanzministers, des mächtigsten nach der Kanzlerin, und die Bestätigung von Sigmar Gabriel als Außenminister sein. 

Kurzfristig wird der dominierende Faktor für die Märkte – und insbesondere für Staatsanleihen – die EZB und ihre Geldpolitik bleiben. Mittelfristig könnten die Auswirkungen der Bundestagswahl auf die Märkte jedoch erheblich sein. Wenn es stimmt, dass die Bundestagswahl keine Risiken für die Stabilität des Euro birgt, würde eine Koalition, die die FDP in ihren Reihen sieht, eine größere Härte anstreben, was zu geringeren Emissionen von Bundesanleihen und einer Ausweitung der Streuung von Peripherietiteln führen würde. Darüber hinaus könnte sich die Europäische Kommission selbst in eine restriktivere Politik gegenüber Griechenland und den anderen südeuropäischen Ländern, einschließlich Italien, begeben müssen. Mit Blick auf die Zukunft würde auch die Haltung der EZB beeinflusst, mit Folgen, die sich auch auf die Höhe des Euro-Wechselkurses auswirken könnten.

* Der Autor ist Chief Investment Officer von Ubs WM Italy

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