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Deutschland-Italien, das ist nicht nur ein Spread

DIE INTERVENTION VON GIOVANNI AJASSA, Leiter der Research-Abteilung von Bnl-Bnp Paribas, in der ersten Ausgabe 2012 von Focus, dem Wochenbericht der Bank. „Trotz des Unterschieds bei Staatsanleihen sind sich die beiden Länder jetzt viel näher als man denkt. Und sie haben das gleiche Problem: den Rückgang der Exporte.“

Deutschland-Italien, das ist nicht nur ein Spread

Deutschland und Italien sind durch die Furche des „Spreads“ zwischen Staatsanleihen geteilt. Es ist eine Lücke, die täglich überwacht wird und die durch Spekulationen extrem groß wird. Durch die Linse der Doppelstrecke betrachtet, erscheinen Deutschland und Italien als zwei zutiefst unterschiedliche und entfernte Themen. Dort Tugend, Stabilität. Hier die Probleme, die Risiken. Dies ist nicht der Fall, aber die Korrektur des spekulativen Syndroms, das die Position Italiens beeinträchtigt, erfordert, dass wir den doppelten Weg der rigorosen Buchführung und der Wiederbelebung des Wachstums fortsetzen. Trotz der Entwicklung des Spreads bei Staatsanleihen ist die Wachstumsfront diejenige, die Deutschland und Italien heute viel näher sieht, als man vielleicht vermuten würde. Beide Länder stehen vor demselben Problem: der gefährlichen Abschwächung des Exportschubs in die Eurozone.

Die Signale, die von der europäischen Handelssituation ausgehen, sind eindeutig. Im vergangenen Oktober fiel die Jahreswachstumsrate der deutschen Exporte in die Eurozone unter Null. Die italienischen Importe aus Deutschland sind im Jahresvergleich um mehr als sechs Prozentpunkte zurückgegangen. Gleichzeitig wurde das jährliche Wachstum der italienischen Exporte in die Eurozone auf knapp über ein Prozent reduziert. In den vorangegangenen Monaten des Jahres 2011 war die Entwicklung der für das Einzugsgebiet der gemeinsamen Währung bestimmten Auslandsumsätze in beiden Ländern in einem deutlich höheren Tempo angesiedelt, so dass die Gesamtausweitung im Zeitraum zwischen Januar und Oktober in der Größenordnung von zehn lag Prozentpunkte. Sowohl in Deutschland als auch in Italien wird der Export heute nur durch Extra-EU-Verkäufe unterstützt. Die Implosion des Handels innerhalb der Eurozone wiegt und wird wiegen, da das Gebiet 40 Prozent der deutschen und 43 Prozent der italienischen Exporte ausmacht.

Jeder weiß, dass Deutschland der erste Abnehmer italienischer Exporte ist. Deutschland ist Italien wichtig, aber Italien hat auch eine große Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Unser Land ist weltweit der fünftgrößte Abnehmer von Produkten „Made in Germany“. 2010 kauften Italiener deutsche Waren für gut 58 Milliarden Euro, 6,1 Prozent der Berliner Exporte. Auch 2010 war der italienische Markt dem deutschen Exporteur mehr wert als China, wenn auch mit steigender Tendenz. Die deutschen Exporte nach Frankreich, Italien und Spanien summieren sich auf mehr als das Dreifache des Absatzes von Produkten „Made in Germany“ auf dem chinesischen Markt. Die außereuropäischen Märkte wachsen rasant, aber der Schwerpunkt des Exports und damit des großen Wirtschaftsmotors Deutschland bleibt wohl oder übel fest in „Kerneuropa“ verwurzelt.

Der starke Rückgang der Handelsströme innerhalb der Eurozone ist für Deutschland nicht weniger ein ernstes Problem als für Italien. Die deutschen Exporte nach Europa machen keineswegs einen kleinen Teil der italienischen Importe aus Deutschland aus und umgekehrt. Wenn Italien nicht wächst oder schlimmer noch in eine Rezession gerät, liegt das Problem bei den Italienern, aber auch bei den Deutschen. Gleiches gilt angesichts der Auswirkungen der Depression auf die deutschen Exporte, die von der auch von der französischen Wirtschaft geprägten Verlangsamung herrühren. Der Teufelskreis des Rückgangs des innereuropäischen Handels ist eine konkrete Demonstration, wie die Erholung des Wachstums im gemeinsamen Währungsraum auf nationaler Ebene verfolgt werden muss, zwingt aber auch auf europäischer Ebene zu Strategien und bilateralen Lösungen Beziehung zwischen den verschiedenen Geschäftspartnern.

In den zehn Jahren des Bestehens des Euro hat sich eine Situation des Ungleichgewichts in den Handelsbilanzen und ganz allgemein in den Auslandskonten der wichtigsten Mitgliedsländer konsolidiert. Der große Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands entspricht nun etwa der Summe der Einzeldefizite Frankreichs, Italiens und Spaniens. Die Korrektur des außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen Deutschland und seinen wichtigsten Handelspartnern in der Eurozone darf nicht sich selbst und damit dem schmerzlichen Rückgang der Importnachfrage der heute am stärksten rezessionsgefährdeten Defizitländer überlassen werden . Wenn das so wäre, würden alle darunter leiden. Für uns liegt der Schnatz der Erholung in den Händen der Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit, die die italienischen Produktionen und das nationale System durch eine gewaltige Anstrengung der Innovation und des Zusammenhalts schaffen können. Der Schnatz des Aufschwungs liegt auch in den Händen der deutschen Verbraucher und der deutschen Behörden, die über viele Ressourcen und ebenso viele Gründe verfügen, in die Zukunft des gemeinsamen europäischen Wachstums zu investieren.

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